Nürtinger Zeitung vom 14.05.03

Mordlustige Groteske mit hohem C
Die Neckartenzlinger Neckarburg präsentierte am Samstag "Im Rausch der Diva"

Frauen, so geht ein oft kolportiertes und gepflegtes Gerücht, seien ein wenig kompliziert. Ist eine Frau auch noch eine Diva, gewinnt das Wort "kompliziert" ganz neue Dimensionen. Aber das alles ist letztendlich nichts im Vergleich zu Männern. Diesen Schluss könnte man aus der Musikgroteske "Im Rausch der Diva" ziehen. Am vergangenen Samstag zeigten die "Chamäleondamen" Meike Sigelova und Iris Kuhn in der Neckarburg, welch schicksalhafte Verstrickungen zwischen Klavier und Gesang entstehen, wenn nur der eine oder andere Mann dazwischenkommt.

Hauptfiguren des Stücks von Bernd Kohlhepp sind die Opernsängerin Isabella Sabelli und die Klavierlehrerin Frau Wegener. Frau Sabelli ist frisch geschieden und möchte nach der Babypause wieder zurück auf die große Bühne. Sie kommt bei der ältlichen Klavierlehrerin Wegener unter. Die ist verwitwet und bezieht ihre Lebensweisheiten aus der "Frau mit Herz".

Aus der Konstellation dieser beiden konträren Charaktere entspinnt sich die Komik des Stückes. Wo Frau Sabelli (Meike Sigelova) die große Geste übt, kommentiert Frau Wegener (Iris Kuhn) boshaft. Steht die Diva in einem Traum aus Altrosa auf ihrem Podest und singt die Habanera aus "Carmen", um hinterher den theatralischen Bühnentod zu sterben, sitzt die andere hinter ihrem Klavier und liefert die Zwischen- und Untertöne.

Dann wird der Flachmann ausgepackt, Frau Wegener bevorzugt "Doppelherz". Immer mit an Bord sind die abwesenden Männer. Und so langsam entwirren sich die Fäden. Berthold, der Geschiedene der Diva, hatte mal Klavierunterricht bei Frau Wegener. Die musste zwar ihr Hörgerät abschalten, war aber von anderen Qualitäten des jungen Mannes umso mehr angetan. Indessen stirbt Frau Sabelli einen weiteren Bühnentod und gurgelt schon mal kräftig für die Rolle der Wasserleiche im "Freischütz".

Nun wird auch die Ehe der Klavierlehrerin beleuchtet. Frau Wegeners verstorbener Mann liebte Fische: "Männer lassen ja gerne zappeln." Dazu fällt auch Frau Sabelli etwas ein: "Männer sind wie Fische. Sobald sie Bauch zeigen, geht es mit ihnen bergab."

Ein richtiger Dialog findet selten statt - eher reden die beiden Damen aneinander vorbei und schnappen Assoziationsfetzen der anderen auf und knüpfen ihre eigenen Erinnerungen daran. Mit einem schmissigen Rap, der erneut Abgründiges zum männlichen Geschlecht bringt, leiteten sie in die Pause über.

Bedauerlicherweise konnte die musikalische Groteske nicht allzu viele Zuschauer in die Neckarburg locken. Dabei boten die beiden Damen - Meike Sigelova ist ausgebildete Sopranistin, Iris Kuhn hat Klavier studiert - hochkarätige Kurzweil mit einer deftigen Prise schwarzen Humors.

So muss Frau Sabelli einen erneuten Theatertod sterben, diesmal nach der Partitur von Georges Bizet mit dem Messer. Die spitze Zunge von Frau Wegener merkt an, dass doch das Alter der Diva mit der Kleidergröße übereinstimme.

Einen Höhepunkt erreicht die Groteske, als die beiden in drei Minuten das "weiße Rössl am Wolfgangsee" zu Schanden reiten. Zwischen zwei Takten muss die Klavierlehrerin die Scherben des von der Opernsängerin zersungenen Spiegels aufkehren.

Nun werden die Abgründe sichtbar. Frau Wegeners Ernst starb am Rattengift, gereicht von der liebenden Gattin: "Es stand in seinem Horoskop!" Da denkt auch Frau Sabelli an Gattenmord. So viel Komplizenschaft verlangt nach einer Vertiefung der Beziehung. Doch die Nähe schafft Reibereien: abermals greift die Klavierlehrerin zum Gift und die Diva stirbt ein letztes Mal. Nun ist wieder ein Zimmer frei bei der Klavierlehrerin.

Der schmissige Mix aus bekannten Opernmelodien und Eigenkompositionen kam an, die Chamäleondamen gaben noch zwei Zugaben, in denen sie den Traummann besangen und den Konkurrenzkampf zwischen Sängerin und Pianistin persiflierten. Das Versprechen, wirklich komische Oper zu zeigen, wurde gehalten. Barbara Gosson